ISBN
978-3-86841-004-4
255 Seiten
14,50 €
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FAU.
Die ersten 30 Jahre
Als im Jahre 2004 eine Welle von Montagsdemonstrationen
gegen die sogenannte Agenda 2010 und die unsozialen Hartz-Gesetze
die Republik aufrüttelte, war in den bürgerlichen
Massenmedien immer wieder von einer Organisation die Rede,
die angeblich »Unfrieden stiften« würde.
Der Name dieser Unruhestifter lautete: FAU. Was verbirgt
sich hinter diesen drei Buchstaben?
Ganz einfach eine wenig bekannte und kleine Basisgewerkschaft,
deren Geschichte und Gegenwart in diesem Buch kenntnisreich
und illustriert dargestellt wird: Was 1977 unter dem Namen
Initiative Freie Arbeiter Union (I-FAU) als verwegenes,
ja fast aussichtsloses Unterfangen begann, entwickelte
sich in der Folge zur einzigen libertären Organisation
in der BRD, die heute noch bundesweit aktiv ist. Dabei
beziehen sich die Militanten der FAU auf die libertäre
Tendenz in der internationalen Arbeiterbewegung – auf
eine Tradition also, die von Anfang an in der organisierten
proletarischen Bewegung rund um den Globus präsent
und zeitweise sogar mehrheitsfähig war. In ihrem
Eintreten für die Abschaffung von Herrschaft sowie
die Überwindung kapitalistischer Ausbeutung, orientieren
sich die FAU-GewerkschafterInnen am Konzept des Klassenkampfes
und der alten proletarischen Losung, dass die Befreiung
der ArbeiterInnen nur das Werk der ArbeiterInnen selbst
sein kann.
Getreu diesem Motto, war die Entstehung dieses Buches
ein kollektiver Prozess. Diese erste Arbeit über
die Geschichte der FAU wurde von einfachen Gewerkschaftsmitgliedern
konzipiert, recherchiert, geschrieben, bebildert, layoutet,
verlegt und verbreitet. Damit ist dieses Buch ein lebendiges
Beispiel der Geschichtsschreibung von unten und ein emanzipativer
Beitrag zur Selbstermächtigung von Lohnabhängigen,
die sonst in den bürgerlichen Massenmedien kaum zu
Wort kommen. Wer mehr wissen will über den Anarchosyndikalismus
in Deutschland heute, kommt an diesem Buch nicht vorbei.
Das Buch erscheint als Gemeinschaftsproduktion
der Verlage bzw. Vertriebe FAU-MAT (Hamburg), Syndikat-A
Medienvertrieb (Moers) und Verlag Edition AV (Lich).
Rezension
Horst Blume: Seit 30 Jahren: Für ArbeiterInnen
Uninteressant (FAU)? erschienen in der graswurzelrevolution
Nr. 342 mehr
...
Gerald Whittle: „FAU: Die ersten 30 Jahre"
erschienen auf stattweb.de
mehr ...
H.: „30 Jahre FAU im Buch“, erschienen in: „Barrikade“
– Streitschrift für Anarchosyndikalismus, Unionismus
und revolutionären Syndikalismus, Nr. 1 (November
2008) mehr ...
Gerald Whittle:
„FAU: Die ersten 30 Jahre"
Revolutionäre Arbeitskämpfe
und Gewerkschaften sind für viele eine Angelegenheit
der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Heute sich
auf die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt
zu beziehen, wird von vielen jüngeren Linken belächelt
und mit Gruppen wie der MLPD oder anderen eher unsympathischen
Organisationen in Verbindung gebracht. Viele Gruppen
finden eine Beschäftigung mit dem Antifaschismus,
ein Engagement in der Antiglobalisierungsbewegung oder
theoretische Arbeit sinnvoller. Eine Ausnahme sowohl
zu den antiquierten auf die "Klasse" bezogenen
Positionen als auch zu den neueren Linken bildet die
FAU.
Die FAU ist eine kleine basisdemokratische Gewerkschaft,
die einige hundert Mitglieder in der BRD hat. Letztes
Jahr jährte sich die Gründung der FAU zum
30. Mal, weshalb einige FAU-Aktive ein Buch über
eben diese letzten Jahre herausgebracht haben.
Wurzeln der heutigen FAU gehen zurück auf die 68er
Bewegung. Einige Studenten entdeckten den Anarchosyndikalismus
als Organisations- und Kampfform. Interessanterweise
hatten diese frühen Aktivisten keinen Kontakt zu
alten Veteranen der ehemaligen FAUD, die in den 1920ern
zeitweise eine starke anarchosyndikalistische Gewerkschaft
in Deutschland war, sie wurde jedoch von den Nazis zerschlagen.
Stattdessen orientierten sich die frühen FAUistas
an den exilspanischen Anarchosyndikalisten, die in der
CNT organisiert waren. Dies hatte zwei Gründe:
zum einen galten die spanischen Anarchosyndikalisten
durch ihre Kampferfahrung im Bürgerkrieg
gegen Franko als Vorbild, desweiteren gab es in der BRD
eine Aktive CNT, die in Deutschland lebende und arbeitende
Spanier organisierte.
Durch diese Kontakte und durch die Beteiligung an einzelnen
Arbeitskämpfen und Solidaritätskampagnen konstituierte
sich die frühe FAU am Ende der 1970er Jahre. Die
FAU wollte von Anfang an eine Selbstorganisierung
von Arbeitern vorantreiben und wollte keine nur an "Idealen"
ausgerichtete anarchistische Organisation sein. Hier
gab es in den frühen Jahren immer wieder Verwerfungen
zwischen Anarchosyndikalisten und Menschen, die sich
die FAU eher als strömungsübergreifende anarchistische
Organisation vorstellten. Im Sinne der Selbstorganisierung
stand die Kritik an den herkömmlichen Gewerkschaften,
wie dem DGB. Die FAU kritisierte schon früh an
diesen, dass sie eine Sozialpartnerschaftliche Funktion
erfülle
und das Funktionärswesen auf die Gewerkschaftsmitglieder
dazu animieren würde, das Engagement für die
eigenen Interessen an andere zu delegieren, anstatt
selbst aktiv zu werden.
In den 1980ern durchlebte die FAU aufgrund interner Streitereien
eine erste Krise, woraus sie inhaltlich konsolidiert hervorging,
es gab nur vermehrte theoretische Diskussionen und Schulungen.
Die Themen der FAU waren in den 1980ern eine kritische
Intervention in die Friedensbewegung, der Kampf für
die 35 Stundenwoche, die Mitarbeit in unabhängigen
Betriebsgruppen und eine Kritik an den Folgen der voranschreitenden
Rationalisierungen im Betrieb. In den 1980ern war die
FAU eine hauptsächlich proletarische Organisation.
Zu dieser Zeit gab es die ersten Diskussionen, ob die
FAU sich an Betriebsräten beteiligen soll. Während
die eine Seite Betriebsräte als sozialpartnerschaftliches
Instrument mit wenigen Möglichkeiten zur tatsächlichen
Verbesserung der Verhältnisse im Betrieb kritisieren,
sahen einige in Betriebsräten die Möglichkeiten,
die Situation konkret zu verbessern. In der FAU setzte
sich weitestgehend die erste Position durch, weshalb sie
sich bis heute nur in begründeten Ausnahme an Betriebsräten
beteiligt. In den 1980ern zeigte sich die FAU durchaus
handlungsfähig, sie organisierte sogar eigene Solidaritätskampagnen
mit den britischen Minenarbeitern. Höhepunkt dieser
Aktivitäten war ein Ferienlager für Kinder der
kämpfenden Minenarbeiter, welches die FAU in der
BRD organisierte.
Während dem Untergang der DDR waren auch Anarchosyndikalisten
aktiv. Es gab viele politische und wirtschaftliche Streiks.
In dieser Situation propagierte die FAU-DDR, welche 1990
gegründet wurde, die Übernahme der Produktionsmittel
durch die Arbeiterklasse und die Errichtung einer freien
Gesellschaft. Die Positionen der FAU-DDR wurden in einigen
Betrieben ernsthaft diskutiert, wobei der Gang der Geschichte
leider ein anderer sein sollte...
Im letzten Jahrzehnt des ausgehenden Jahrhunderts
wurde die Arbeit auf den verschiedenen Gebieten der
FAU intensiviert, das heißt die betriebliche Organisation
wurde voran getrieben - im Sinne einer praktischen Solidarität
wurde das Kollektiv Café Libertad aufgebaut.
Die eigene Theorieproduktion wurde durch einen zentralen
Versand für anarchosyndikalistische Theorien
gefördert.
Die Theoriearbeit der FAU sollte immer einen Bezug zur
Praxis der Organisation haben, weshalb sie sich hauptsächlich
mit Fragen der Aktualisierung anarchistischer und anarchosyndikalistischer
Positionen befasst. Aber auch in innerlinke Debatten
interveniert die FAU immer wieder. So auch in einem
im Buch erwähnten
Artikel, in dem die FAU sich mit Antinationalen auseinandersetzt.
Leider ist dieser Text sehr schwach.
Seit dem Jahr 2000 war die Arbeit der FAU vor allem durch
den voranschreitenden Klassenkampf von oben im Zuge
der Hartz 4 Reformen geprägt. Im Widerstand gegen
diese beteiligte sich die FAU. Dadurch wurde die FAU
bekannter, und ihre Mitgliederzahlen wuchsen weiter.
Das Buch berichtet vielseitig und in die Tiefe gehend
von diesen verschiedenen Aspekten der anarchosyndikalistischen
Gewerkschaft FAU. Wer sich kaum mit den theoretischen
Grundlagen des Anarchosyndikalismus auskennt oder sich
nicht speziell für die FAU interessiert, wird wohl
das Buch etwas sperrig und langatmig finden. Da das
Buch ein Geschichtsbuch über die FAU ist, werden
hier viele theoretische Grundlagen kaum, oder nicht
in der notwendigen Tiefe diskutiert.
H.: 30 Jahre
FAU im Buch
Der Begriff „Gewerkschaft“ wird hierzulande mit dem DGB
gleichgesetzt. Dabei gibt es gerade in den letzten Jahren
in die Schlagzeilen geratene Vereinigungen, die nicht
im DGB organisiert sind, beispielsweise die GDL, die Vereinigung
Cockpit oder die Vereinigung der Vertragsfußballer.
Viele ihrer Mitglieder haben erkannt, dass ihre Interessen
im DGB verraten werden. Und dazu gehört wirklich
nicht viel Grips. Das Problem ist nur: Es gibt nicht wirklich
viele Alternativen. Der DGB ist der alles bestimmende
Dachverband, nur er ist in den meisten Fällen juristisch
legitimiert, in vielen Betrieben stellt er eine Art Zwangsverband
für die Beschäftigten dar. Er übt oftmals
bestimmenden Druck auf die Betriebsräte aus und stellt
viele von ihnen. Er ist im Bewusstsein so tief verankert,
dass die breite Bevölkerung unter Gewerkschaft lediglich
Tarifabschlüsse, eine Versicherungsanstalt bei Streik
und etwas Rechtsschutz versteht. Dasselbe gilt auch für
die oben genannten Branchengewerkschaften außerhalb
des DGB.
Zur FAU
Aus dieser Perspektive heraus gibt’s nur
eine Alternative in Deutschland, die deutlich andere Formen
von Organisation bis Philosophie aufzeigt, das ist die
Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU). Allein
diese Tatsache begründet einen genaueren Blick, zudem
die FAU bereits 30 Jahre alt ist. Die FAU ist eine sehr
kleine Gewerkschaft, deren Mitgliederzahlen sich nur auf
einige Hundert beläuft – bundesweit. Was soll auf
den über 200 Seiten im Buch schon großartiges
zu erfahren sein? Die FAU schöpft ihre Kraft und
ihren Sinn aus ihrer Selbstverwaltung heraus, daraus,
dass sich ihre lokalen Gruppen ganz konkret und aus eigener
Kraft heraus in vielen Fällen für die Verbesserung
der Arbeits- und Lebensverhältnisse ihrer Mitglieder
einsetzen kann, in Eigenregie und mit der Kraft der Solidarität.
Die FAU ist also eine Gewerkschaft im ureigenen Sinne,
die keine Bevormundung duldet, die Mitglieder vertreten
ihre eigenen Interessen auch selber auf möglichst
direktem Wege unter der Direktive „Solidarität und
gegenseitige Hilfe“ meistens mit den Mitteln der „Direkten
Aktion“ unter Umgehung der von der Arbeiterschaft losgelösten
Stellvertretergremien. Das nennt sich „Anarcho-Syndikalismus“,
und die gleichnamige Bewegung konzentriert sich nicht
ausschließlich auf das Erwerbsleben, sondern auf
alle Lebensbereiche. Denn das Ziel dieser Bewegung ist
die Schaffung einer neuen, einer freien Gesellschaft ohne
politische, ökonomische und militärische Herrschaft
– ohne Herrschaft des Menschen über den Menschen
überhaupt. Das klingt hierzulande eher utopisch,
deshalb bezeichnet die FAU dieses Ziel auch als Fernziel.
Zum Buch
Was die FAU vor allem ausmacht, ist ihr
konkreter Einsatz, mit welchem sie jenseits großartiger
Berichterstattung in den kapitalistischen Massenmedien
kleinere Erfolge erzielen konnte, aber auch so manchen
Kampf verlor. Davon handelt dieses lebendige und reichlich
bebilderte Buch. In den sechs Kapiteln wird am praktischen
Beispiel immer wieder auf die Grundprinzipien und Organisationsstruktur
dieser kleinen Gewerkschaft eingegangen, ihre Aktivitäten
über 30 Jahre beleuchtet und reflektiert. Ein gutes
Stück Zeitgeschichte, welche in den bewegten 70-er
Jahren beginnt mit der Vorgeschichte zur Gründung
der FAU im Jahre 1977. In welchem Umfeld bewegten sich
die GründerInnen dabei, was waren ihre Motivationen,
wie gestaltete sich der Aufbau einer bundesweiten Organisation?
Welche Probleme taten sich auf? Diesen Fragen wird gründlich
nachgegangen, und das Buch hält die eine oder andere
Überraschung bereit. Gestreift werden auch andere
Organisationen im Umfeld „sozialer Bewegungen“, die verschiedenen
(lokalen) Zeitschriften der FAU, ihre Ladenlokale/Zentren,
aber auch „Abspaltungen“, etwas Selbstironie ist gerade
in der ersten Hälfte ihres Bestehens an mancher Stelle
durchaus angebracht. Spannend ist die Analyse der verschiedenen
Richtungskämpfe innerhalb der FAU zwischen den Eckpfeilern
Syndikalismus/Betriebsarbeit und anarchistische Ideenorganisation,
eine von vielen Kapiteln, mit der dieses Buch über
die bloße Beschreibung von Aktivitäten hinausgeht,
und so wertvoll für alle Aktiven der Bewegung und
später hinzukommende ist, wenngleich bemerkt werden
muß, dass der ehemalige syndikalistische Flügel
der FAU argumentativ zu kurz kommt (…).
Internationales
Beeindruckend sind auch die internationalen
Solidaritätskampagnen der FAU, besonders im britischen
Bergarbeiterstreik Mitte der 80-er Jahre. Blicke gibt’s
es auch auf die „Internationalen Solidaritätskonferenzen“
der Jahre 1999/2002 und 2007. Die Geschichte der „Internationalen
Arbeiter-Assoziation“ (IAA) hat im Buch ein eigenes, faktenreich
aufgearbeitetes Kapitel, welches dieser zum Dogmatismus
verkommenen „Internationalen“ einer gründlichen Kritik
unterzieht, und dabei auf die Hintergründe eingeht.
Einen kurzen Einblick gibt es darüber hinaus auch
in die Versuche, im deutschsprachigen Ausland anarcho-syndikalistische
Gewerkschaften zu gründen.
Bewertung
Wer immer etwas über die FAU
erfahren möchte, sollte sich dieses flüssig
und hintergründig verfasste Buch zu Herzen nehmen.
Es wird vielerlei Zeit für Einführungen auf
Gruppentreffen der FAU sparen, und liefert eine sehr gute
Vorlage für die folgenden Diskussionen über
den weiteren Weg der anarcho-syndikalistischen Bewegung.
Zu betonen ist noch, dass am Buch Gewerkschaftsmitglieder
aus etwa einem Dutzend Städten selbst mitgewirkt
haben, die Informationen also kompetent und komplett aus
erster Hand sind! Besonders wertvoll für die Syndikalismusforschung
ist das Kapitel zu den ehemaligen FAUD- Aktiven am Buchende,
welche uns so manche Erfahrung vermitteln können,
sowie das Schlusskapitel zu 100 Jahre Syndikalismus in
Deutschland von 1878 bis 1978. (…)
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