ISBN
3-936049-51-3
245 Seiten
mit Original-Tondokumenten und Video auf CD-ROM
24,90 €
|
Moritz Grasenack
(Hrsg.)
Die libertäre Psychotherapie von Friedrich Liebling
Eine Einführung in seine Großgruppentherapie
anhand wortgetreuer Abschriften von Therapiesitzungen
Für Friedrich Liebling (Augustowka/Galizien 1893
- Zürich 1982) war das umfassende psychische Massenelend
auch der modernen Gesellschaften Anlass zu einem Wagnis:
Er wollte die Psychologie aus dem Elfenbeinturm der Universitäten
und Fachinstitute hinaus in die breite Öffentlichkeit
tragen - weg von den elitären Sprechzimmern des gesellschaftlich
unfruchtbaren und verkommenen Gewerbes der Psychotherapeuten
und Ärzte, hin zu einem durchaus popularisierenden
Engagement, das in aufklärerischer und emanzipatorischer
Arbeit dem Menschen in psychischer Not, Eltern und Erziehern,
ebenso wie dem politisch Engagierten, konkrete Instrumente
an die Hand gibt: das „Werkzeug der Psychologie“.
Es war stets das Anliegen Lieblings, dass Psychotherapie
nicht nur eine teure Kur für Privilegierte bleiben
sollte, sondern allen, unabhängig von ihren finanziellen
und sozialen Verhältnissen zugänglich sein sollte.
Darüber hinaus sollte sie, wie er sich ausdrückte
„lehr- und lernbar“ werden. So begann er anfangs der 50er-Jahre
in Zürich, wohin ihn die Flucht vor dem 3. Reich
geführt hatte, auf der Grundlage seiner Wiener Erfahrungen
im anarchistischen Arbeiterbildungsverein um Pierre Ramus
und in den Erziehungsberatungsstellen und Arbeitsgruppen
des Kreises um Alfred Adler, mit der Gruppentherapie zu
experimentieren, die damals noch nicht über erste
schüchterne Versuche (Moreno, Slawson, später
Rogers) hinausgekommen war.
In Lieblings psychologischer Lehr- und Beratungsstelle
waren jede und jeder willkommen, sich als gleichwertige
Gesprächspartner mit Fragen der Psychologie auseinanderzusetzen
und persönlich-individuelle Probleme sowohl in lebensgeschichtlich-individualpsychologischen
als auch gesellschaftlich-historischen Zusammenhängen
verstehen zu lernen. Die psychotherapeutische Arbeit auf
diesen Grundlagen zeitigte beeindruckende Erfolge, was
mehr und mehr Menschen anzog. In der Aufbruchstimmung
der 70er-Jahre nahm die "Zürcher Schule",
wie man sich nun auch nannte, die Dimensionen einer "Bewegung"
an und entwickelte sich zu einer eigentlichen psychologischen
Volksuniversität, wo in mehr als 100 frei sich bildenden
großen und kleinen Gruppen alle erdenklichen Themen
des menschlichen Zusammenlebens erörtert wurden.
Als Liebling 1982 starb, waren mehr als 3000 Menschen
aus dem ganzen deutschen Sprachraum mit der "Zürcher
Schule für Psychotherapie" assoziiert - zahlreiche
lokale Gruppen hatten sich gebildet - ein weit verzweigtes
psychologisches Netzwerk war entstanden. Würde es
Liebling überdauern?
Die Volksuniversität Friedrich
Lieblings existiert nicht mehr. Es wäre eine Arbeit
für sich, die Geschichte der Zeit nach Liebling zu
schreiben. Es werden sich andere finden, mit größerer
Neigung zur Tragödie oder zum Sozialroman, sie zu
erzählen. Es reicht hinzuzufügen, dass wenn
20 Jahre nach Lieblings Tod in den Häusern seiner
Stiftung eine Organisation sitzt, die sich im Dunstkreis
der antikommunistischen, klerikalen und fremdenfeindlichen
Rechten bewegt, diese nichts, aber auch gar nichts zu
tun hat mit dem Geist und dem Werk Friedrich Lieblings,
welchen Namen sie sich auch immer geben mag.
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