ISBN 978-3-86841-001-3
178 Seiten
16€

 

 

Michel Ragon
Georges & Louise
Der Vendeer und die Anarchistin

Historischer Roman, aus dem Französischem von Michael Halfbrodt

Georges Clemenceau und Louise Michel...auf den ersten Blick scheinen diese beiden einen absoluten Gegensatz zu bilden. Er, der Bourgeois, Journalist und Politiker, der sich im Alter zum „Erster Bulle Frankreichs“ und „Vater des Sieges“ von 1918 wandelte. Sie, die Armenlehrerin und unbeugsame Anarchistin, die „Pasionaria“ der Revolution, die ewige Rebellin. Und doch waren sie einander zeitlebens in Freundschaft und Zuneigung, Respekt und Bewunderung verbunden.

Zwei außergewöhnliche Persönlichkeiten, zwei Welten, eine verborgene, unbekannte gebliebene Beziehung, vor dem Hintergrund einer an Kämpfen und Kontrasten reichen Epoche, zwischen Pariser Kommune und Dreyfus-Affäre. Ein weiteres Mal entfaltet Michel Ragon, Verfasser von Die roten Tücher von Cholet und Das Gedächtnis der Besiegten, passionierter Historiker und großer Romancier, hier seine vielfältigen Talente und Leidenschaften.

Rezenssion

Hans-Jürgen Degen: Vielgestaltiges Leben. Die Anarchistin Louise Michel und der Politiker Georges Clemenceau, erchienen in graswurzelrevolution Nr. 336 - März 2009
Louise Michel (1830-1905) – Communardin und sagenum­wobene Anarchistin; Georges Clemenceau (1841-1929) – französischer Realpolitiker mit kurvigem Lebenslauf: Journalist, Vorsitzender der parlamentarischen Linken, Eintreten für A. Dreyus, mehrmals Minister, zweimal Ministerpräsident, vehementer Vertreter des Versailler Vertrages.
Kaum widerläufiger könnten die zwei Lebensläufe sein.
Dennoch gab es über Jahrzehnte Schnittstellen: sporadische politische Übereinstimmungen, Respekt, Sympathie; zudem materielle Hilfe für Michel durch Cle­menceau.
Michel Ragons (Schriftsteller und Kunstkritiker) „Georges & Louise“ ist ein literarischer Le­bensbericht mit gut recherchiertem historischen Hintergrund. Im Mittelpunkt steht Louise Michel. Ihre Entwicklung von der Communardin zur Anarchistin zeichnet Ragon überzeugend nach: von der republikanisch gesinnten, zum Nihilismus neigenden, durch Peter Kropotkin zum Anarchismus Kommenden.
Auch ihre Wandlungen als anarchistische Agitatorin: ihr undogmatischer Pragmatismus von der Befürworterin der gewaltsamen „Propaganda der Tat“ zur gewaltablehnenden Anarchistin.
Michels konsequentes Eintreten für die Unterdrückten, die gesellschaftlich Ausgeschlossen kontrastiert nicht mit ihrem Leben: Sie lebt meist im Elend, ist unbekümmert um ihren Lebensunterhalt, hält sich durch Spenden über Wasser. Immer wieder auch durch Hilfe von Clemenceau.
Dieser teilt nur wenige Jahre mit Michel die gleichen politischen Ansichten. Das tut ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Aber zeitlebens kann sie auf Clemenceaus Unterstützung rechnen. Nicht nur der materiellen.
Das sympathisch-unordentliche Leben der Louise Michel arbeitet Ragon auch auf dem Hintergrund des sich herausbildenden organisierten französischen Anarchismus heraus. Michel war nie eine dominierende Figur in dieser Bewegung. Eher bewegte sie sich an deren Rand. Im fortgeschrittenen Alter hat sie mit den politischen Rankünen überhaupt nichts mehr zu tun. Sie pflegt statt­dessen ihre persönlichen Kontakte zu recht unterschiedlichen politischen Kräften. Diese versucht sie auch für die „Sache“ des Anarchismus zu benutzen.
Michel war als Frau eine Ausnahmeperson in der anarchistischen Bewegung, ähnlich wie später Emma Goldman.
Beide emanzipierten sich sowohl von der bürgerlichen Gesellschaft als auch von der von Männern dominierten anarchistischen Bewegung. Beide suchten und erkämpften sich ihren Platz. Einleuchtend zeichnet Ragon diesen Prozeß nach. Seine Sympathien für Michel sind offensichtlich: der „Ritterin ohne Furcht und Tadel“, die oft gegen „Windmühlen“ kämpfte.
Ragons „Georges & Louise“ ist auch (unabsichtlich) ein Buch gegen simple Gemüter mit der Auffassung, dass ein politisches Leben stromlinienförmig zu verlaufen habe.
Man muß das Buch lesen, um überhaupt das vielgestaltige Leben, die Spannbreite des Lebens von Louise Michel und das von Georges Clemenceau und ihrer Zeit erfassen zu können.
Unverzichtbar zum Verständnis von „Georges & Louise“ sind die Anmerkungen, die „bibliographischen Quellen“, das Namensregister und der „Titelindex“ im Anhang.


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