ISBN
978-936049-83-1
204 Seiten
16
|
Lily
Zográfou
Deine Frau, die Schlampe
Roman aus der Zeit der RAF. Aus dem Griechischen von Ralf
Dreis
Ein beeindruckendes Zeitzeugnis über Terrorhysterie,
RAF-Fahndung und Sympathisanten-hatz in der BRD Ende der 70er
Jahre aus Sicht einer linken Griechin.
"Hör dir das an, Liebste.
Am Dienstag, den 24. Januar, rief mich Lenió aus Milátos
ganz aufgeregt an um mir mitzuteilen - kannst du dir denken
was? Dass der starke Wind einen Baum in meinem Garten entwurzelt
hat. Der Wind? Welcher Wind, wunderte ich mich. Was ist der
Wind, wo habe ich schon von ihm gehört? Bin ich nicht
schon seit Jahren mit diesen Menschen hier drin eingeschlossen?
Den Menschen des Romans, meine ich, der heute Nacht fertig
wurde. Was? Wie der Wind hier eindringen und sie mir von meinem
Schreibtisch wehen konnte, von dem ich mich nicht losreißen
kann, so überanstrengt und verschreckt, dass der Faden
reißt, wenn ich mich jetzt nach all den Jahren erhebe,
in denen meine Helden und ich Banken und US-Stützpunkte
in die Luft gejagt, die Bullen verarscht und uns gegenseitig
ausgenutzt haben, für etwas Liebe, ein kleines bisschen
Liebe und so viel Gerechtigkeit. Und das sagst du mir! Einzig
das Bühnenbild wurde gewechselt. Prometheus ist vom Felsen
in den Hochsicherheitstrakt gezogen. Welcher Wind, mein Gott,
welcher Wind hat so heftig geweht und die Melodie vom Lied
des Helden auf der letzten Seite gelöscht - schließlich
war es unsere Erfindung, die von uns beiden - auf dass uns
vielleicht die anderen hören, auf dass es vielleicht
die Aufmerksamkeit der Menschen erregt, die nicht mehr in
der Lage sind die ohrenbetäubende Stille der menschlichen
Einsamkeit zu vernehmen. Und ich saß hier, bewunderte
seine letzten großen Schritte mit den Handflächen
auf dem orangefarbenen Ordner aus Pappe, der nun zuklappte
und mich seiner Gesellschaft beraubte und auch der Freude
mich um seine unheilbare Einsamkeit zu kümmern. Welcher
Wind? Und was soll jetzt aus mir werden ohne den Irrglauben,
die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die jetzt auf mich
einstürmen und mich von allen Seiten durchbohren wird.
Welcher Baum? Hat irgendwer jemals einen von euch informiert,
dass ich hier bin, vertrieben aus dem Paradies der Gleichgültigkeit
und der Unwissenheit? Dass ich all den unaufhörlich brausenden
wilden Stürmen schutzlos ausgeliefert bin, die mich durchdringen?
Was tue ich hier, Maíry, Liebste, mit Augen, die
"
(ein unvollendeter Brief)
Zurück zur Startseite
|