ISBN
978-3-86841-044-0
375 Seiten
19,50
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Michaela Kilian
Entlarvte Illusionen
Marina Iwanowna Zwetajewa (1892-1941), Dichterin
Der Begriff „Verlorene Generation“, von Gertrude Stein geprägt, paßt in erschreckender Weise auch auf eine Generation russischer Dichter/INNEN: Zwischen 1920 und 1930 erlebte Rußland eine wenig beachtete Hochblüte auf fast allen Gebieten der Kunst. Die neue russische Literatur von damals ist jedoch verschollen. Ihre Autoren endeten durch Selbstmord – Sergej Jessenin, Wladimir Majakowski und Marina Zwetajewa -, emigrierten wie Jewgenij Samjatin, flüchteten ins Schweigen – wie Konstantin Fedin und Leonid Leonow -, beugten sich dem sterilen Kunstdiktat des „Sozialistischen Realismus“ – wie Valentin Katajew oder Ilja Ehrenburg -, wurden ins Schweigen gezwungen, wie Boris Pasternak oder Anna Achmatowa -, wurden von Stalins Terrorsystem in den Tod getrieben, nach jahrzehntelanger Verfolgung, psychischer Zermürbung und Armut, wie Ossip Mandelstam -, ihnen wurde Spionage vorgeworfen, um sie desto leichter ermorden zu können, wie Isaak Babel -, wurden als „parasitäre, individualistische Existenz“ diffamiert und nach Sibirien verschleppt, wie Jossif Brodskiy.
Marina Zwetajewa, neben Anna Achmatowa die bedeutendste Dichterin, die Rußland hervorgebracht hat, wird in Moskau als Tochter einer wohlhabenden Familie geboren und fühlt sich früh zur Dichtung hingezogen. Ihr Hauptwerk entsteht in den Jahren des Exils in Berlin, Prag und vor allem in Paris, was sie zur Äußerung veranlaßt: „In Rußland bin ich eine Dichterin ohne Bücher; hier eine Dichterin ohne Leser.“ Dennoch gibt sie ihr Schreiben nie auf; sie ist „dazu verdammt zu schreiben, wie ein Wolf heult, unter welchem System auch immer.“
Bei einem Aufenthalt auf der Krim lernt sie ihren späteren Mann Sergei Efron kennen, der keine große Hilfe für sie ist. Nicht nur in Paris trägt sie die ganze Last, ihre Familie am Leben zu erhalten; eine Tochter verhungert. Als sie 1939 in die Sowjetunion zurückkehrt, ist ihre Kraft erschöpft; 1941 wählt sie den Freitod.
[…] Die Biografie stellt das Leben dieser ungewöhnlichen, oft auch unbequemen Frau in einer Fülle von Informationen dar. Erfreulicherweise geht dabei nie der rote Faden verloren, wie das nur allzu oft in Biografien der Fall ist. Die Porträtierte bleibt immer im Fokus der Kapitel, ausgefeilte Sprache und stringente Gliederung lassen die Person der Zwetajewa lebendig werden. Eine wunderbare Biografie, für alle, die mehr über eine wissen wollen, die russische Geschichte in Versen geschrieben hat. (Von Elke Heinicke
Lesbenring-Info,
Dezember 2011/Januar 2012, Lesbenring e.V.)
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