ISBN 978-3-86841-053-2
216 Seiten
14 €
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Frank Harris
Die Bombe
übersetzt von Antonina Vallentin
mit einem Nachwort von Michael Halfbrodt
„Mein Name ist Rudolf Schnaubelt. Ich warf die Bombe, die im Jahre 1886 in Chicago acht Polizisten getötet und sechzig verwundet hat. Jetzt liege ich hier in Reichholz in Bayern unter falschem Namen, todkrank an Schwindsucht und habe endlich den Frieden gefunden.“
Geradezu lakonisch wird in der Romanfiktion ein Geheimnis gelüftet, das in der historischen Realität bis heute besteht und Schriftsteller und Historiker nach wie vor beschäftigt: nämlich das der Identität des Bombenwerfers auf dem Chicagoer Haymarket am 4. Mai 1886, dessen Tat zu einer riesigen Repressionswelle gegen die örtliche Arbeiterbewegung führte und einen spektakulären Schauprozess gegen acht anarchistische Arbeiterführer nach sich zog, der weltweites Aufsehen erregte.
Rezension
Gerd Bedszent: Wer warf die Bombe?
Ein historischer Roman über das Haymarket-Massaker erschienen in der jungen welt vom 24.08.2011
Es ist schon etwas ungewöhnlich, daß ein vor über hundert Jahren erschienener politischer Roman eine Neuauflage erlebt. Allerdings ist das Thema nach wir vor brisant: das Haymarket-Massaker am 4.Mai 1886 in Chicago. Als nach dem Bombenwurf eines Unbekannten die Polizei ein Blutbad unter Arbeitern, die für die Einführung des Achtstundentages demonstrierten, anrichtete. In der Folge wurden mehrere bekannte Arbeiterführer ohne jeden Beweis hingerichtet oder jahrelang eingekerkert.
Es war zu Beginn des 20. Jahrhunderts keineswegs selbstverständlich, daß der Autor eines literarischen Werkes unverblümt Partei für die als Terroristen diffamierten Opfer einer erbarmungslosen Klassenjustiz nahm, die Ereignisse aus der Sicht des Bombenwerfers schilderte. Der britische Autor und Publizist Frank Harris war kein organisierter Linker, hegte jedoch eine gefühlsmäßige Sympathie für die Sache der Unterdrückten. Sein Roman ist in weiten Teilen Fiktion.
Im überaus informativen Nachwort von Michael Halbrodt zur aktuellen Ausgabe werden verschiedene Irrtümer und literarische Einfälle im Roman richtiggestellt. So ist zum Beispiel bis heute nicht bewiesen, wer damals die Bombe auf die Polizisten geworfen hat. Rudolf Schnaubelt, Held des Buches, war einfach nur ein bekannter Anarchist, nach dem die Polizei damals erfolglos fahndete. Er starb keineswegs im Elend, wie im Roman geschildert, sondern sagte sich vom Anarchismus los und wurde in Argentinien ein schwerreicher Unternehmer.
Wertvoll ist der Roman noch heute, weil darin sehr genau die Methodik geschildert wird, mit der schon damals die Kriminalisierung politisch mißliebiger Personen betrieben wurde. Anfang der 1980er Jahre bejahte ein Sohn von Ethel und Julius Rosenberg in einem Interview die Frage eines jungen afroamerikanischen Journalisten, ob er einen politisch motivierten Justizmord auch in der Gegenwart noch für möglich hielte. Der Journalist hieß Mumia Abu-Jamal.
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