ISBN
3-936049-97-8
300 Seiten
16 €
Abel Paz
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Abel Paz
Anarchist mit Don Quichottes Idealen
Innenansichten aus der Spanischen Revolution
Eine Biographie (1936-1939)
„Für mich hatte alles am 19. Juli gegen neun Uhr morgens
begonnen, in El Clot, ganz in der Nähe des Hauses, in
dem ich wohnte. Jemand schoss aus dem Glockenturm der Kirche
gegenüber von meinem Haus auf die Leute, die sich in
der Avenida Meridiana drängten. In der versammelten Menge
befand sich ein altgedienter Aktivist von der Gewerkschaft
der Fabrik- und Textilarbeiter, bewaffnet mit einer Jagdflinte.
Er nahm seine Waffe und schoss mehrmals auf den Glockenturm,
aber eine Antwort blieb aus. Wer hatte geschossen? Es schien
ein Rätsel, denn einige Augenblicke später ging
eine ganze Schar von Leuten in die Kirche, und obwohl überall
gesucht wurde, fand man den Angreifer nicht.“
In „Anarchist mit Don Quichottes Idealen“ erzählt
Abel Paz seine Geschichte in der libertären Revolution
von 1936 – 1939, der bereits als 15-jähriger im Bürgerkrieg
auf Seiten der CNT gegen die Franco-Faschisten kämpfte.
Nach der Niederlage floh er 1939 nach Frankreich, kämpfte
aber ab 1942 im Spanischen Untergrund weiter, bis er verhaftet
und bis 1953 inhaftiert wurde. Heute lebt Abel Paz in Barcelona.
„Anarchist mit Don Quichottes Idealen“ gewährt uns nicht
nur einen anderen Einblick in den spanischen Bürgerkrieg,
sondern auch in die gelebte Utopie.
Neben „Feigenkakteen und Skorpione“ (1921
– 1936) ist „Reise in meine revolutionäre Vergangenheit“
(1936 – 1939) der zweite Band seiner vierbändigen Biographie,
die in loser Folge im Verlag Edition AV erscheinen sollen.
Band 1: Feigenkakteen
und Skorpione (1921 -1936)
Band 3: Im Nebel der Niederlage (1939 - 1942)
Band 4: Am Fuß der Mauer (1942 - 1954)
Rezension
Helge Döhring: "Reiner Ausdruck
des Klassenkampfes" erschienen in "gegenwind 241
- Oktober 2008"
Überblicke und Analysen zum Spanischen
Krieg und zur Spanischen Revolution gibt es viele. Wenige
sind jedoch in deutscher Sprache veröffentlicht worden
von unbefangenen Beteiligten, welche dieses Anliegen mit ihren
eigenen Erfahrungen koppeln. Einer davon ist George Orwell
gewesen, welcher uns ein beeindruckendes Panorama über
die damalige komplizierte Situation Spaniens bietet. Orwell
hat den Nachteil, dass er zum einen nicht über die ganze
Dauer aus eigenem Erleben berichtet und zum anderen, dass
er zum großen Teil aus der Optik einer kleinen, eher
unbedeutenden marxistischen Partei spricht.
Beim Verlag Edition AV ist nun der zweite Teil der Autobiographie
des Spanienkämpfers Abel Paz erschienen, der in hoher
Schärfe durchgängig die Innenansichten der Revolution
mit Schwerpunkt auf Katalonien schildert. Der aus dem südspanischen
Almeria stammende Autor siedelte als Junge nach Barcelona
um, besuchte dort eine freie libertäre Schule und trat
der anarcho-syndikalistischen „Confederacion nacional del
trabajo" (CNT)-Gewerkschaft wie auch der „Iberischen
anarchistischen Föderation" (FAI) bei. Am Beginn
der Revolution im Juli 1936 war er 15 Jahre alt und Mitglied
der libertären Jugend. Während der Kämpfe streifte
er durch die Straßen um die Barrikaden herum, nahm an
Treffen der anarcho-syndikalistischen Organisationen als Delegierter
teil, beobachtete dabei kritisch Persönlichkeiten wie
Federica Montseny, Diego Abad de Santillan oder Garcia Oliver
(„sprach in arrogantem Ton"). Am genauesten und beeindruckendsten
beschreibt er das allmähliche Zurückdrängen
revolutionärer Errungenschaften in Barcelona seitens
der Regierung und der kommunistischen Organisationen, die
lange Agonie der Freiheit. Er nimmt sich alle Zeit dafür,
da die einzelnen Schritte und Zäsuren sehr lehrreich
sind. Wer dabei bisher nur an die oft geschilderten „Maiereignisse"
denkt, wo kommunistische Kräfte die von der CNT gehaltene
Telefonzentrale militärisch stürmten, wird bei Paz
darüber hinaus in vielen Details und anderweitig fündig.
Auch der Frage, was diese verzwickte Situation für die
allgemeine Stimmung in der Stadt und im einzelnen für
die betroffenen Arbeiter und Libertären bedeutete, geht
er anschaulich nach, mit einer guten Portion realistischer
Analyse. Dabei folgt er seinen persönlichen Erlebnissen,
der Berichterstattung und (was einigen Nur-Forschern leider
abgeht) gesundem Menschenverstand. Nähe und Distanz zu
den Geschehnissen vereinen sich bei Paz zu einem facettenreichen
Gesamtwerk.
Immer wieder stellt er heraus, dass die CNT-FAI-Führungsebene
sich verselbständigte gegenüber der Mitgliederbasis.
Die Opposition gegenüber der offiziellen anarcho-syndikalistischen
Politik fiel schwach aus, ihre Aktivitäten wurden verboten
und bestraft. Das Zentralorgan der CNT, die „Solidaridad Obrera"
stand ganz im Dienste der CNT-Führung und arbeitete dabei
mit unlauteren Mitteln, wie sie sonst nur von der bürgerlichen
Presse bekannt sind. Propagandistisch deckelte und rechtfertigte
sie die repressiven Maßnahmen der Regierung und wieder
eingesetzte Polizei, eine Rede Durrutis wurde entscheidend
verfälscht. Auch „drehte" sie an den ersten Kämpfen
zwischen Anarcho-Syndikalisten und Kommunisten im März
1937 und den ersten Feuergefechten zwischen ihnen einen Monat
später. Der 1. Mai des Jahres wurde in Barcelona nicht
offiziell gefeiert, um den trügerischen inneren Frieden
aufrecht zu erhalten!
Paz betont ausdrücklich: „Eigentlich waren die Straßen
fest in den Händen der CNT und der FAI (...) Man musste
nur noch einen Generalangriff (auf die Stalinisten und katalanischen
Nationalisten, Anm. d. A.) organisierten, es wäre problemlos
machbar gewesen. Aber da zogen die CNT-FAI Komitees die Bremse,
da sie glaubten, es seinen noch nicht alle Möglichkeiten
ausgeschöpft worden, um eine bewaffnete Auseinandersetzung
zu vermeiden (...) denn eines war uns allen klar: hätten
wir mit ihnen .aufräumen' wollen, wir hätten sie
innerhalb von 24 Stunden erledigen können". Derweil
steckten die Stalinisten und ihre ausführenden Organe
immer mehr Arbeiter in die Gefängnisse. Später wurde
gefoltert und gemordet, u.a. die italienischen Anarchisten
Camilo Berneri und Francesco Barbieri.
Da der Autor auch die Landkollektive besuchte, schildert er
uns von dort seine Eindrücke und lässt uns teilhaben
an der Kunst und der Arbeit selbstorganisierter Landwirtschaft.
Auch hier kommen Hintergründe und Analysen nicht zu kurz.
Für die Stadt beschreibt Paz anschaulich die konkrete
Organisation des alltäglichen Lebens, der Produktion
und der Komitees, der Arbeitermilizen, ihre Aufgaben und ihre
Zusammenkünfte. Und das im Großen, wie auch im
Detail. Desweiteren behandelt er die starke und reaktionäre
Partei der katalanischen Separatisten, von deren Einfluss
in anderen Büchern nicht oft die Rede ist. Mit dem Protokoll
des „Nationalen Plenums der libertären Bewegung"
aus dem Jahr 1938 legt Paz zudem ein wichtiges Dokument offen,
welches authentisch tiefe Einblicke gewährt. Das Buch
zeichnet sich im Anhang durch einen informativen Fußnotenapparat
und eine übersichtliche Chronologie aus, leider fehlt
ein Index.
Wer meint, die Geschichte der Spanischen Revolution schon
zu kennen, wird hier dennoch allerlei Informationen und Eindrücke
finden, dargeboten als spannende Autobiographie eines Beteiligten,
der schlussfolgert: „Was macht das soziale Leben in einem
kleinen oder großen Ort aus? Es ist das soziale Wohlbefinden:
wenn die Bedürfnisse nach Nahrung, gesundheitlicher Versorgung
und Kultur gleichermaßen gedeckt sind. Aber wenn man
der Erfüllung dieser Bedürfnisse noch die kollektive
Partizipation in administrativen und politischen Belangen
hinzufügt, ohne dass ein parasitärer bürokratischer
Organismus den im kollektiv erwirtschafteten Mehrwert absorbiert
(wie es bei den in der Sowjetunion durchgesetzten totalitären
Regimes der Fall war), kann man sagen, dass ein solches System
eine hohe Stufe im sozialen Streben nach einer klassenlosen
Gesellschaft erreicht hat, dem Streben des utopischen Sozialismus.
Das war bei uns der Fall. (...) Ich glaube, dass die Befreiung
des Menschen in seiner vollständigen Selbstbeherrschung
liegen muss, was seine ständige Verantwortung in allen
die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten impliziert."
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