ISBN
3-936049-59-9
224 Seiten
16 €
|
Helge Döhring
Syndikalismus im "Ländle"
Die Freie Arbeiter-Union Deutschland (FAUD) in Württemberg
1918 bis 1933
Die syndikalistische Arbeiterbewegung in Deutschland
war weitaus mehr, als eine reine Gewerkschaftsbewegung. Sie
bot die gesamtgesellschaftliche Perspektive eines freiheitlichen
Sozialismus auf föderalistischer Grundlage und wirkte
daher gleichermaßen im kulturellen Bereich, so. z.B.
in Büchergilden, der Freidenkerbewegung oder auch in
Siedlungsprojekten. Einzelne Personengruppen fanden sich in
syndikalistischen Organisationen zusammen, die Werktätigen
in der Freien Arbeiter-Union Deutschlands, die Frauen im Syndikalistischen
Frauenbund, die Jugendlichen in der Syndikalistisch-Anarchistischen
Jugend Deutschlands, usw.
Diese breit angelegte und fundierte Regionalstudie
befasst sich mit dieser syndikalistischen Arbeiterbewegung
in Württemberg von 1918 bis 1933.
Die zentralen Fragen dieses Buches lauten:
Unter welchen Bedingungen gedeiht die syndikalistische Bewegung?
Welche Faktoren hindern sie an ihrer Entfaltung?
Anhand dieser Studie lassen sich bisherige
Forschungsergebnisse zu diesen Fragen besser bewerten. Denn
sie geht anschaulich ins Detail, untersucht die Zentren syndikalistischer
Organisation in Württemberg, wie beispielsweise Stuttgart
oder Heilbronn und stellt diesen die syndikalistischen Bestrebungen
im ländlichen Bereich gegenüber. Die Eckpunkte bilden
hierbei der Grad der Industrialisierung, sowie andere konkurrierende
Arbeiterorganisationen als zentrale Faktoren für die
Beurteilung der Entwicklungsmöglichkeiten der syndikalistischen
Bewegung in Württemberg. Diese gelangte hier in manchen
größeren wie kleineren Orten zu erheblichen Einfluß
und stellt somit generell für manche Lokalgeschichte
ein wichtiges Kapitel dar.
Rezensionen
Silvester Lechner: „Sozialismus von unten“ im
Württemberg der Weimarer Zeit erschienen im Mitteilungsblatt,
Heft 45/Juni 2006 des Dokumentationszentrums
"Oberer Kuhberg Ulm e.V. - KZ- Gedenkstätte",
mehr ...
Sebastian Meyler: "Syndikalismus im 'Lände'"
erschienen auf stattweb.de
mehr ...
Ulrich Klemm: "Schwäbischer Anarchismus" in:
Der Bürger im Staat Nr. 3/4 2008 mehr
...
Nante Götze: "Syndikalismus im 'Lände'"
in: direkte aktion Nr. 175 - Mai/Juni 2006 mehr
...
Silvester Lechner:
„Sozialismus von unten“ im Württemberg der Weimarer Zeit
(...) Ein Fazit: Der historische Kontext, die Ideen und die
Menschen, die hinter diesen Bewegungen standen, sind heute
fast ganz aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwunden. Um
aber die geistigen und politischen Kämpfe zu verstehen,
in denen z. B. die Häftlinge des KZ Kuhberg – mehrheitlich
Kommunisten und Sozialdemokraten – standen, und die sie zum
Zweck der faschistischen „Umerziehung” in dieses Lager brachten,
leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag. Überdies
waren alle ehemaligen oder noch aktiven „Anarcho-Syndikalisten”
nach dem März 1933 von „Schutzhaft” in den neuen KZs
bedroht. Innerhalb der gut 400 mit Namen bekannten Kuhberg-Häftlinge
dürften das zumindest Max Winkler (aus Berlin, Namensgleichheit?),
Emil Gerlach (Heilbronner Sozialdemokrat) und Walter Reede
aus Stuttgart gewesen sein. Im DZOK-Archiv ist ein von Reede
verfasster Lebenslauf erhalten, dem zu entnehmen ist, dass
er zwar Ostern 1934 aus dem Ulmer KZ entlassen, im Februar
1935 aber erneut verhaftet und – nach den KZ-Stationen Börgermoor,
Welzheim, Dachau, Mauthausen – erst am 6. Mai 1945 befreit
wurde. Wer weiß mehr zur Geschichte der „Anarcho-Syndikalisten”?
Sebastian
Meyler: Syndikalismus im 'Lände'
Über die Geschichte des Anarchosyndikalismus
ist wenig bekannt. Es gibt nur ein paar gute Bücher zur
Entstehung und Arbeit der Anarchosyndikalisten. Über
ihre regionale Tätigkeit ist noch weniger bekannt. Dem
wird mit dem Buch “Syndikalismus im 'Ländle'” von Helge
Döhring Abhilfe geleistet.
Dieses Buch versucht, die Entwicklung des Anarchosyndikalismus
in Württemberg seit den Jahren 1918 und 1919 bis zur
Zerschlagung im "Dritten Reich" darzustellen. Obwohl
Württemberg nicht zu den stärksten Gebieten der
Anarchosyndikalisten zählte, entfaltete die anarchosyndikalistische
Freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) an vielen Orten eine
rege Tätigkeit. Diese beschränkte sich nicht nur
auf gewerkschaftliche Arbeit, sondern umfasste auch eine Menge
kultureller, politischer und gesellschaftlicher Aktivitäten.
Der Grund dafür, dass die FAUD sich nicht nur auf die
gewerkschaftliche Arbeit beschränkte, war ihre Ablehnung
der bürgerlichen Trennung von Politik (Partei) und Ökonomie
(Gewerkschaft).
Ein Beispiel für die kulturelle Arbeit der FAUD ist der
Verlag “Gilde freiheitlicher Bücherfreunde”, der viele
Schriften bekannter Anarchisten und Anarchosyndikalisten wie
Rudolf Rocker verlegte. Innerhalb der FAUD gab es verschiedene
Ansätze, gesellschaftliche Veränderung erreichen
zu wollen. Es gab zum Beispiel in den 1920ern eine Siedlungsbewegung,
die versuchte, in anarchistischen Siedlungen ein Leben jenseits
kapitalistischer Moral und gesellschaftlicher Zwänge
zu leben - ein befreites Leben nach anarchistischen Idealen.
Die Siedlungsbewegung von damals ist mit einigen Kommunen
der heutigen Zeit vergleichbar.
Auf all diese Ansätze wird in diesem Buch eingegangen.
Außerdem wird die Geschichte vieler FAUD-Ortsvereine
beschrieben. Wer sich für die Geschichte einzelner Orte
interessiert, wird hier also fündig. Wer zu einzelnen
Menschen forschen will, für den ist das Personen-Register
der FAUD am Ende des Buches sehr nützlich.
Insgesamt kann "Syndikalismus im 'Ländle'"
empfohlen werden. Es liefert einen wichtigen Beitrag zur linken
Geschichtsschreibung, die gerade jenseits von universitären
Hörsälen wichtig ist. Denn das Wissen über
die Kämpfe der Vergangenheit bietet uns eine inspirierende
Quelle, und wir können aus den Fehlern vergangener Bewegungen
lernen.
Ulrich Klemm: Schwäbischer
Anarchismus
Als Teil der Arbeiterbewegung ist der Anarchismus in Deutschland
nach wie vor ein marginales Forschungsgebiet. Im Gegensatz
zum angelsächsischen Raum halten sich die deutschsprachigen
Geistes- und Sozialwissenschaften bei diesem historischen,
politikwissenschaftlichen und staatsphilosophischen Thema
eher zurück und verfügen nach
1945 nur über eine begrenzte Forschungstradition, die
darüber hinaus lediglich eine eingeschränkte internationale
Anschlussfähigkeit erlebt. Zu den wenigen wegweisenden
und herausragenden deutschen Anarchismusforschern, die sich
ab Mitte der 1960er- Jahre mit diesem Thema (erneut) befassten,
zählen z. B. Ulrich Linse, Peter Lösche, Hans G.
Helms, Günter Bartsch, Hans M. Bock oder Erwin Oberländer.
Zu diesen „Klassikern“ kam ab Ende der 1970er-Jahre eine jüngere
Generation von Wissenschaftlern hinzu, die daran anschloss
bzw. neue und differenzierte Aspekte bearbeitete. Zu nennen
sind die Arbeiten von Angela Vogel über den Syndikalismus
(1977), Wolfgang Haug über Erich Mühsam (1979),
Gert
Holzapfel über den „Neo-Anarchismus“ (1984), Holger Jenrich
zur Rezeption des Nachkriegsanarchismus (1986) oder Ulrich
Klan und Dieter Nelles mit einer regionalgeschichtlichen Arbeit
über den rheinischen Anarcho-Syndikalismus (1986). Diese
Auflistung ließe sich mit weiteren veröffentlichten
und unveröffentlichten
Examensarbeiten bzw. Dissertationen bis heute fortsetzen und
weist die Richtung der Anarchismusforschung: Sie besteht überwiegend
aus einem singulären Forschungsinteresse,
das über eine nur geringe Kontinuität und längerfristige
Systematik verfügt. Zu den „großen“ Themen der
Forschung zählte der Anarchismus in Deutschland nie und
wird es vermutlich auch nicht werden. Vielleicht ist dafür
auch das immer noch weit verbreitete Bild vom Anarchisten
als dem „Schwarzen Mann“ mit Vollbart und Bombe in der Manteltasche
verantwortlich, das seit Ende des 19. Jahrhunderts in der
Öffentlichkeit und den Medien verbreitet wurde und sich
bis heute – nicht nur in Deutschland – gehalten hat.
In diesem Forschungskontext erschien nun erstmals eine Studie
über den württembergischen Anarchismus 1918 bis
1933, die aus einer Magisterarbeit an der Universität
Bremen hervorging. Dieser Zeitraum zählt insgesamt zu
einer Blütezeit des deutschen Anarchismus,
und insbesondere des Anarcho-Syndikalismus (Freie Arbeiter-Union
Deutschlands
- FAUD), der in den 1920er-Jahren deutschlandweit bis zu 200.000
Mitglieder hatte. Auf der Grundlage eines freiheitlichen Sozialismus
und einer föderalistischen Organisationsstruktur
kann die FAUD gleichermaßen als eine Gewerkschafts-,
Kultur- und Politikbewegung
definiert werden. Es gelingt dieser Arbeit erstmals, die Spuren
und die Bedeutung des organisierten Anarchosyndikalismus in
und für Württemberg aufzuzeigen. Sie zeigt, dass
der
Syndikalismus in der Arbeiterbewegung Süddeutschlands
durchaus einen Platz neben Kommunisten, Sozialdemokraten und
Gewerkschaftlern hatte. Döhring schließt hier eine
deutliche Wissenslücke in der Erforschung der Arbeiterbewegung
in Baden-Württemberg und
bietet eine überzeugende Analyse und Recherche, die in
künftigen Betrachtungen
Berücksichtigung finden wird. Obwohl es zwischenzeitlich
eine ganze Reihe von Regionalstudien zur anarchistischen Arbeiterbewegung
gibt, fehlte bislang eine über den württembergischen
Raum. Neben der regionalen und historischen Perspektive ist
die
Arbeit auch sehr stark durch eine systematische Fragestellung
geprägt, die nach den Rahmenbedingungen erfolgreicher
bzw. weniger erfolgreicher syndikalistischer
Arbeiterbewegung fragt. Ein weiterer Aspekt der Arbeit ist
die These vom Arbeitersyndikalismus als Kulturbewegung. Den
„Höchststand“ erreichet die FAUD
in Württemberg Mitte der 1920er-Jahre mit 15 Ortsvereinen
und 1.200 Mitgliedern.
Döhring erfasst die soziologische Zusammensetzung, ihre
Arbeitsstrukturen,
Berufsgruppen, Wohnbezirke und die Entwicklung der betrieblichen
und
außerbetrieblichen Organisationen. Seine diesbezüglichen
und dokumentierten Recherchen in Archiven sind umfassend und
penibel. Die vielfältigen und unterschiedlichen außerbetrieblichen
Organisationsstrukturen, wie z. B. die „Gilde freiheitlicher
Bücherfreunde“, die „Gemeinschaft proletarischer Freidenker“,
die „Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands“ oder
Siedlungs- und Schulprojekte machen deutlich, dass der Arbeitersyndikalismus
auch als eine Kulturbewegung bewertet werden kann.
Die Arbeit ist allerdings keine umfassende Ideengeschichte
des Arbeitersyndikalismus.
Sie ist organisationssoziologisch und sozialgeschichtlich
orientiert.Zwei Fragestellungen stehen im Mittelpunkt:
(1.) Unter welchen Bedingungen entsteht der organisierte Arbeitersyndikalismus?
(2.) Wie kommt es zu der Entwicklung von einer politischen
Bewegung zu einer Kulturbewegung?
Entscheidend für die Entwicklung des
Syndikalismus scheint der Grad der Industrialisierung
und der Organisation der Arbeiterschaft zu sein. Der Arbeitersyndikalismus
fand keine Resonanz, wo bereits Partei- und Organisationsstrukturen
der SPD oder KPD bestanden. So
gab es beispielsweise in Ulm und Stuttgart keine FAUD-Strukturen.
Begründet wird dies vom Autor damit, dass in Ulm Industriestrukturen
fehlten und in Stuttgart eine starke SPD vorhanden war. In
Tuttlingen und Pliezhausen konnten sich dagegen nach 1918
syndikalistische Strukturen entwickeln, da es keine organisierten
Arbeiter gab und ein entsprechender Grad an Industrialisierung
vorhanden war. Für heute folgert Döring
daraus, dass vor allem in Schwellen- und Billiglohnländern
der Nährboden für einen Syndikalismus vorhanden
sein müsste, da der Organisationsgrad der Arbeiter einerseits
relativ gering und andererseits die Industrialisierung bzw.
Globalisierung vorangeschritten ist.
Hinsichtlich seiner These und Fragestellung zum Arbeitersyndikalismus
als Kulturbewegung
kann Döring belegen, dass er sich in Württemberg
im untersuchten Zeitraum von einer gewerkschaftlichen Interessenorganisation
zu einer Kulturorganisation entwickelt hat.
Bei einer Gesamtbetrachtung des Arbeitersyndikalismus in Württemberg
kann festgehalten werden, dass er in Form der FAUD nicht über
den Status einer Ideenorganisation mit gewerkschaftlichem
Anspruch hinausgekommen ist. Jedoch: Obgleich die FAUD bis
1933 eine Randerscheinung in der Arbeiterbewegung blieb, zeigt
die Studie, dass es in
Württemberg eine anarchistische Bewegung nach 1918 gab,
die in verschiedenen Städten und vor allem unter Arbeiterinnen
und Arbeitern auf eine zaghafte Resonanz stieß. Die
Arbeit verdient in diesem Sinne Beachtung als eine organisationssoziologische
Regionalstudie zur
Arbeiterbewegung in Württemberg und als Beleg für
den politischen und kulturellen
Charakter des Anarchosyndikalismus in der Weimarer Zeit.
Nante Götze:
Syndikalismus im 'Lände'
(...) Ausgehend von der Beschreibung der
Rahmenbedingungen für den Aufstieg des Syndikalismus
zur Massenbewegung nach 1918, beschreibt der Bremer Historiker
Helge Döhring die Demographische Entwicklung und Industrialisierung
und befasst sich dann mit der Revolution 1918/19 in Württemberg
sowie dem Generalstreik im „Ländle“ von 1920.
Kern der Arbeit sind aber zweifelsohne die detailliert herausgearbeiteten
Aktivitäten der lokalen FAUD-Gruppen Württembergs.
Helge Döhring hat hier Pionierarbeit geleistet, in dem
er – nach einer kurzen Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands
über den Syndikalismus und Anarchismus in Württemberg
vor 1918 – auf die einzelnen württembergischen Ortsverbände
eingeht. Dabei zeichnet er die jahrelange Existenz und Arbeit
der Gruppen entsprechend der umfassend ausgeschöpften
Quellenlage nach. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit bildet dabei
die FAUD in Stuttgart, die in ihrer „Arbeiterbörse“ sowohl
die Föderationen der Transportarbeiter,
Bauarbeiter, Metall- und Industriearbeiter als auch die „Vereinigung
aller Berufe“ vereinte.
Detaillierte Beschreibungen finden sich auch zu weiteren Orten
Württembergs. So konnte eine starke Aktivität der
FAUD in Heilbronn nachgewiesen werden. Vor Ort bestanden anarcho-syndikalistische
Gewerkschaftsföderationen der Bau- und Metallarbeiter,
sowie eine „Vereinigung aller Berufe“, in der sich Lohnabhängige
anderer Branchen organisierten. Über das deutsche Reich
hinaus bekannte Anarchosyndikalisten hielten in Heilbronn
Vorträge, unter ihnen der Sekretär der FAUD Geschäftskommission
und spätere Spanienkämpfer Augustin Souchy sowie
Rudolf Geist und Rudolf Rocker. Die Stadt Böckingen wird
in der Untersuchung eigenständig behandelt, da Böckingen
erst 1930 zu Heilbronn eingemeindet wurde. Hier existierte
seit 1911 ein aktiver Verband syndikalistischer Arbeiter.
Zum Heilbronner Emil Gerlach findet sich ein Porträt.
Auch unter dem Hohenstaufen, in Göppingen war die FAUD
eine bekannte und aktive Kraft der Arbeiterbewegung. Neben
der Wahrnehmung gewerkschaftlicher Aufgaben waren ihre Mitglieder
in der anarcho-syndikalistischen Buch- und Kulturgemeinschaft
„Gilde freiheitlicher Bücherfreunde“ aktiv, deren Kopf
der Metallarbeiter Karl Dingler war. Über den weit über
die Organisations- und Stadtgrenzen hinaus bekannten und geschätzten
Dingler findet sich im Anhang ein Nachruf Helmut Rüdigers
aus dem Jahre 1950.
Weitere Kapitel finden sich zu Dettenhausen, Eislingen, Eltingen,
zu den heutigen Stuttgarter Stadtteilen Feuerbach und Gablenberg,
zu Leonberg, Esslingen, Pliezhausen, Reutlingen, Ulm und Wendlingen.
Die Stadt Tuttlingen nimmt bei der Untersuchung eine besondere
Stellung ein. So führt der Verfasser über den Tuttlinger
Ortsverein der FAUD aus: „Die FAUD Tuttlingen nahm in Württemberg
nicht nur geographisch, sondern auch organisatorisch eine
Sonderstellung ein...die lokale Organisierung verlief offensichtlich
grundsätzlich in konspirativen Bahnen, wofür ...
die über Jahre anhaltenden schweren Arbeitskämpfe
und handfesten Auseinandersetzungen zwischen Arbeiterschaft
und Unternehmen/Polizei sprechen.“ (S.165)
Eigenständiger Untersuchungsgegenstand ist auch die anarcho-syndikalistische
und anarchistische Jugendbewegung Württembergs. Die verschiedenen
Vorstellungen, nach denen die Jugend entweder in erster Linie
eine Kulturbewegung sein sollte – inklusive Nacktkultur und
individualistischer Betrachtungen des eigenen ich, oder aber
eine proletarische, betriebliche Kampforganisation, entschieden
die Befürworter des Klassenkampfes schließlich
für sich. Aus ihren Reihen gingen dann auch mehrheitlich
die anarcho-syndikalistischen Arbeiterwehren, die „Schwarzen
Scharen“ hervor, die u.a. Veranstaltungen der Bewegung gegen
Störungen durch Nazis und Parteikommunisten verteidigten.
Wie bereits beim Göppinger Beispiel angeführt, legten
die schwäbischen Anarcho-Syndikalisten, bedingt auch
durch eine beständige Marginalisierung, einen Schwerpunkt
ihrer Tätigkeit in die Aufklärung durch kulturelle
und bildende Aktivitäten. So finden sich im Buch detaillierte
Beschreibungen über die „Gilde freiheitlicher Bücherfreunde“,
sowie die „Gemeinschaft proletarischer Freidenker“ . Die geschlechtsspezifische
Organisation der Frauen wird anhand des „Syndikalistischen
Frauenbundes“ behandelt.
Einflüsse des organisierten Anarcho-Syndikalismus gab
es in Württemberg darüber hinaus auch in anderen
Bewegungen, welchen der Autor ebenfalls nachgegangen ist.
So finden sich freiheitliche Spuren in Siedlungsprojekten
und der Vagabundenbewegung. Dem Stuttgarter „Vagabundenkönig“
Gregor Gog ist ein Porträt gewidmet. Interessant ist
auch die Abhandlung über den Begründer der Anthroposophie
Rudolf Steiner zu lesen, der sich der revolutionären
syndikalistischen Bewegung angebiedert hatte, von diesen aber
einen Korb erhielt und sich dann vermögenderen Kreisen
zuwandte. Sehr schön zu Lesen ist weiterhin das Kapitel
über die Künstlerkolonie in Bad Urach, in der so
bekannte Schriftsteller wie Theodor Plivier und Erich Mühsam
verkehrten.
(...)
Zusätzlichen Gebrauchswert erhält das Buch durch
ein angefügtes, knapp zweihundert Personen umfassendes
Namens – sowie ein umfangreiches Orts Register, das bestens
für eigene Nachforschungen geeignet ist. Ausgewählte
Abbildungen runden den hervorragenden Gesamteindruck ab. Angefügt
ist weiterhin ein Nachwort von Martin Veith, in welchem dieser
unter anderem auf einen Erich-Mühsam Platz in Göppingen
hinweist.
Helge Döhring hat hier ein gut lesbares und brauchbares
Standartwerk zum Anarcho-Syndikalismus in Württemberg
verfasst, das ich uneingeschränkt allen an der Geschichte
der revolutionären Arbeiterbewegung interessierten empfehlen
kann.
(Komplette Rezension auf www.syndikalismus-im-laendle.tk)
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