ISBN
3-936049-70-X
ISBN 978-936049-70-1
220 Seiten
17 €
|
Sulamith
Sparre
Denken hat kein Geschlecht
Mary Wollstonecraft (1759 – 1797). Menschenrechtlerin
„Ich liebe den Mann als meinen Gefährten;
aber seine Herrschaft, sei sie rechtmäßig oder
angemaßt, erkenne ich nur dann an, wenn die Vernunft
eines Individuums mir diese Huldigung gebietet: und selbst
dann unterwerfe ich mich nur der Vernunft, nicht dem Manne.“
Radikale Sätze aus England, die vom deutschen Übersetzer
prompt eine harsche Kritik erhielten! Der Mann ist das starke,
die Frau das schwache Geschlecht – so heißt es seit
uralten Zeiten. Gern haben „die Herren der Schöpfung“
die Geschichtsschreibung nach ihren Bedürfnissen und
Vorstellungen genutzt; die Leistungen der Frauen wurden ignoriert.
Frauen, die Ungewöhnliches leisteten, bekamen die Macht
der Männer und ihre Konkurrenzangst zu spüren. Die
Welt sähe anders aus, hätte es nicht immer wieder
Menschen gegeben, die sich mutig gegen Unterdrückung
und Engstirnigkeit wehrten. Ein solcher Mensch war Mary Wollstonecraft,
die bei Zeitgenossen als politische Publizistin und radikale
und streitbare Feministin gleichermaßen bekannt war.
In den mehr als zwei Jahrhunderten nach Mary Wollstonecrafts
Veröffentlichung „Die Verteidigung der Rechte der Frau“
wurde die Verfasserin zu einer Ikone des modernen Feminismus.
Die Suche nach dem idealen Mann (die der Autorin manche Niederlage
bescherte), dem wirklichen Partner der Frau – 200 Jahre vor
unserer Genderdiskussion: ein aufwühlender Gedanke. Obwohl
sie im 18. Jahrhundert lebte, erinnert Mary Wollstonecraft
an eine Frau unserer Zeit. Ihr ganzes Leben lang kämpfte
sie um die Anerkennung der Würde der Frau und ihre Befreiung
von männlicher Vorherrschaft, gegen eine extrem patriarchalisch
orientierte Gesellschaft, die ganz selbstverständlich
von der geringeren Intelligenz und dem geringeren Wert der
Frau ausging und ihr darum fast jede Bildungsmöglichkeit
vorenthielt.
Rezension
Jessica Lieser: Mary Wollstonecraft. Die Vordenkerin,
erschienen in "Emma - Mai/Juni 2009"
Sie ist vor 250 Jahren geboren, schrieb eines
der ersten feministischen Manifeste - und starb im Kindbett.
Sie hat es schon vor über zwei Jahrhunderten gewusst.
Und jetzt, zwei Generationen nach den erneuten feministischen
Warnungen vor der Sackgasse Hausfrau, bestätigten es
die deutschen Verfassungsrichterinnen endgültig: Hausfrau
und Mutter-Sein ist kein lebenslanger Job mehr. Maximal drei
Jahre lang hat heutzutage der Ehemann die Pflicht, die Frau
zu finanzieren - danach müssen auch alleinerziehende
Mütter ökonomisch eigenständig sein.
„Wie sehr beleidigen uns diejenigen, die uns dazu anleiten, dass wir
uns selbst zu sanften Haustieren machen!" konstatierte Mary Wollstonecraft
(1759-1797) schon anno 1792. Und die zweifache Mutter warnte: „Aber
die geschlechtsspezifische Schwäche, die die Frauen wegen ihres Unterhaltes
vom Mann abhängig macht, erzeugt eine Art katzenhafter Zuneigung, die
eine Frau dazu bringt, um ihren Ehemann herumzuschnurren, wie sie es bei jedem
anderen Mann täte, der sie futtert und streichelt. Männer sind jedoch
zufrieden mit dieser Art der Zuneigung, die sich in tierischer Weise auf
sie beschränkt."
Das schrieb die Frauenrechderin 1792 in ihrem bekanntesten
Werk, „Zur Verteidigung der Frauenrechte", in
dem die Pionierin auch die „vorherrschende Meinung, über
das, was geschlechtstypisch ist", diskutiert. Sie kommt
zu dem Schluss, dass man Frauen gar nicht erlaube, „ausreichend
Geistesstärke zu besitzen, um das zu erreichen, was
wirklich die Bezeichnung Tugend verdient". Lange
vor Simone de Beauvoir erkannte Wollstonecraft, dass Frauen „zu
schwachen und elenden Geschöpfen gemacht weiden".
Mary Wollstonecraft stammte aus einer verarmten, achdiöpfigen
Familie mit einem jähzornigen Vater und einer unterwürfigen
Mutter. Doch: „Die Schläge ihres Vaters stimmten
sie keineswegs demütig, sondern empörten sie vielmehr.
Bei solchen Gelegenheiten fühlte sie ihre Überlegenheit
und neigte dazu, ihre Verachtung auch zu zeigen", schrieb
ihr zweiter Partner, der große Humanist und Frauenrechder,
William Godwin 1798 in seinen Erinnerungen an seine Frau.
Die war wenige Tage nach der Geburt ihrer zweiten Tochter
Mary Shelley (der späteren Autorin des Gruselklassikers „Frankenstein")
am Kindbettfieber gestorben.
Ihrer ersten Tochter, mit dem Sklavenrechtler Gilbert
Imlay, hatte Wollstonecraft den Namen „Fanny" gegeben.
So hieß auch ihre Seelenverwandte, die sie mit 16 Jahren
zwischen mehreren Familienumzügen kennengelernt
hatte. Fanny Blood war zwei Jahre älter als Mary und „eine
junge Frau von ungewöhnlichen Vorzügen", schreibt
Godwin. „Sie sang und musizierte mit Geschmack." Fanny
unterrichtete Mary im professionellen Schreiben und 1784
gründeten die beiden Frauen eine Schule. Doch ein
Jahr später ging Blood nach Lissabon, um zu heiraten.
Wollstonecraft konnte die Schule finanziell nicht halten
und arbeitete zunächst als Erzieherin. 1786 schrieb
sie ihr erstes Buch über die Erziehung von Töchtern
und beschloss, von nun an als Schriftstellerin ihren Lebensunterhalt
zu bestreiten. Ein bisschen Gouvernante ist Mary Wollstonecraft
auch in ihrem bekanntesten Werk, „A Vindication of
the Rights of Women", geblieben. „Lehrt sie zu
denken!" lautete ihre Maxime - womit sie aber nicht
nur Frauen meinte. Denn auch Männern und potenziellen
Vätern sollte klar werden, dass nur eine Frau mit einer
eigenen Persönlichkeit eine interessante Gesprächspartnerin
und souveräne Mutter sein kann.
Neben der Anregung zu selbstständigem Denken zählte
aber auch die gleiche Bildung von Jungen und Mädchen
zu ihren grundlegenden Erziehungsmaßstäben. Sie
kritisierte: „Das Kind, besonders das Mädchen,
wird keinen Moment seiner eigenen Führung überlassen,
und wird so abhängig — diese Abhängigkeit
nennt man dann natürlich."
Mit den Ansichten des Franzosen Jean Jacques Rousseau über
Frauen legte die Engländerin sich offensiv an. Der war
ja der Auffassung, „die Frau" sei ein Naturwesen
und ihre wichtigste Aufgabe sei es, „dem Mann" zu
gefallen und Mutter zu werden. Wollstonecraft setzte dem
entgegen: „Von Kindesbeinen an gelehrt, dass die Schönheit
das Zepter einer Frau ist, formt sich der Geist dem Körper
entsprechend, bewegt sich in seinem goldenen Käfig und
will nur sein Gefängnis schmücken."
Mit
ihrer „Verteidigung der Frauenrechte" beeinflusste
Wollstonecraft entscheidend die Frauenbewegung in England und
den USA „Wer sich ein bisschen damit beschäftigt
hat, wird schnell die Ähnlichkeiten bei Elizabeth Stanton,
Lucretia Mott oder Margaret Füller erkennen", so
die Herausgeberin der neuen Auflage, Ursula Meyer. Doch ahnte
Mary Wollstonecraft offenbar schon vor über 200 Jahren,
dass es noch lange dauern könnte: „Wer kann sagen,
wie viele Generationen nötig sein werden, der Tugend
und den Talenten einer befreiten Nachkommenschaft von elenden
Sklavinnen Kraft zu verleihen?"
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