Poetry for Anarchy
Ein Interview zum zehnten Geburtstag des libertären Literaturprojekts Blackbox
Ende 1994 wurde in Bielefeld das anarchistische Literaturprojekt "Blackbox" ins Leben gerufen. Seitdem arbeiten die Autoren Michael Halfbrodt (*1958) und Ralf Burnicki (*1962) als libertäres Poetenduo zusammen. Sie publizieren u.a. in der "Edition Blackbox", beim Verlag "Edition AV" (Frankfurt/Main), in der anarchosyndikalistischen DA, in der GWR ... Landauf, landab lesen sie in libertären Zentren, Literaturcafés und bei Kulturveranstaltungen, wie z.B. zum 25sten und 30sten Geburtstag der Graswurzelrevolution 1997 in Köln und 2002 in Münster. Das zehnjährige "Blackbox"-Jubiläum war im Oktober Anlass einer Feier und (natürlich) einer Lesung (vgl. GWR 292).
Graswurzelrevolution
(GWR): Lieber Michael, lieber Ralf, "Blackbox" bzw. die "Edition Blackbox" gibt es seit zehn
Jahren. Herzlichen Glückwunsch! Wie seid Ihr als Autoren zusammengekommen, und
wie seid Ihr auf die Idee gekommen, dieses Projekt zu gründen? Wie fing
alles an?
Michael:
Kennengelernt haben wir uns in Ägypten
auf einer Studienreise. Wir hatten damals beide die Idee, Arabisch zu
lernen.
Ralf:
Ich erinnere mich gut daran, wie du dich einmal des Nachts mit zahllosen
Moskitos herumgeschlagen
hast in unserem
Zimmer in Abu Ghirgh. Am nächsten Morgen waren die weißen Wände wie
tapeziert.
Michael:
Nach der Rückkehr haben wir uns
irgendwann auf einer Antirassismus-Demo wiedergetroffen. Im Laufe weiterer
Treffen stellten wir fest, dass wir gemeinsame politische und literarische
Interessen haben. Von da an begann eine regelmäßige Zusammenarbeit, zum
Beispiel in der Barrio (1), einer anarchistisch-autonomen Zeitung in
Bielefeld.
Ralf: In der Barrio gründeten wir die
Literaturrubrik "BLACKBOX", in der libertäre Gedichte veröffentlicht
wurden. Damit gingen in der Zeitung anarchistische Politikvorstellungen Hand in
Hand mit ebensolcher Literatur und Poetry. Ziemlich genau vor 10 Jahren habe ich
dort eine Frühfassung von "Anarchie als Direktdemokratie" veröffentlicht,
einige Seiten später kam dann "Liebe Luxus Kapitalismus", ein
antikapitalistisches Poem.
Michael: Als die Barrio dann
Ende 1994
einging, beschlossen wir, "Blackbox" als eigenständiges Projekt
weiterzuführen.Zum
einen als Autorenduo "Blackbox" mit
gemeinsamen Auftritten, zum anderen als "Edition Blackbox", eine
Broschürenreihe, in der wir zunächst eigene literarische Texte veröffentlichten.
Das war der Beginn unserer "Anarcho-Poetry".
GWR: Die Barrio erschien ab April 1988 als
Nachfolgeblatt von Rhizom und BIS HEUTE. Sie war lesenswert und
gut gemacht. Warum wurde sie eingestellt?
Michael: Sie
hatte zum Ende hin noch eine
Auflage von 1000 Stück. Zum Schluss war der Aufwand des Textschreibens, des
Layouts, der Druckherstellung und des Verkaufs auf zu wenige Personen verteilt.
Deshalb wurde die Zeitung wegen Überbelastung aufgegeben.
GWR:
Und weiter ging es dann mit "Edition
Blackbox"?
Ralf: Ja.
In der "Edition Blackbox"
wurden dann auch andere AutorInnen veröffentlicht. Ziel der Broschürenreihe
war die Veröffentlichung politischer Texte, die sich um eine
antiherrschaftliche und antinationalistische Gesellschaftsvorstellung bemühen.
Zu den Poetry-Broschüren (damals von Michael "Nieder" und
"Schnee von Gestern", erst später kamen meine "StadtSchluchten"
hinzu) trat die Veröffentlichung politischer und kunsttheoretischer Texte, die
als Broschüren erschienen. Das war z.B. "Generalstreik, Achtstundentag und
erster Mai" oder "Anarchismus und Surrealismus". Im Prinzip
hatten wir in der "Edition Blackbox" wieder das Nebeneinander
politisch-anarchistischer Texte und politischer Dichtung, wie bei
der Barrio.
Michael:
Als Poetenduo "Blackbox"
traten wir unter anderem bei den "Schwarzen Tagen" 1994
im AJZ (ArbeiterInnen-Jugendzentrum) Bielefeld auf.
GWR: Was kam dann?
Ralf: Ab
1996 nahmen wir teil an der
literarischen Undergroundbewegung "Social Beat". Das kam daher, weil
sich diese Bewegung als eine Art "Literaturbewegung von Unten"
verstand. Von den Mitbegründern Jörg-André Dahlmeyer und Thomas Nöske (beide
aus Berlin) gingen Impulse aus, die auf eine neue direktdemokratische
Literaturbewegung hindeuteten. Wir traten bei diversen Festivals auf, auch 1996
beim Social-Beat-Festival in Münster. Das wurde vom Unrast-Verlag organisiert
und ich habe hier das Gedicht "Anarchie braucht keine Hosenträger"
gelesen. Unsere Lesung, die im Hauptbahnhof Münster auf einer Lesebühne
stattfand, wurde aber nach einiger Zeit verboten bzw. unter Räumungsandrohung
abgebrochen, weil dem Eigentümer, der Deutschen Bundesbahn, unsere Texte nicht
gefielen und weil die ganze Zeit ein Video über die Chaostage in Hannover lief.
Als wir auf den Bahnhofsvorplatz raustraten, sahen wir uns mit einer großzügigen
Ansammlung von Polizeitransportern konfrontiert. Wer hätte eine
solche Wirkung der Literatur erahnt.
Michael: Vielleicht
sollten wir erwähnen,
dass wir selbst im Rahmen der 3. Schwarzen Tage 1996 eine große
Social-Beat-Lesung im Bielefelder AJZ veranstaltet haben, bei der alle damaligen
"Größen" der Szene auftraten. Ein fünfstündiger Lesemarathon mit
hunderten von Zuhörerinnen und Zuhörern. Insgesamt war Social Beat von seinem
eigenen Selbstverständnis her mehr der Versuch, den Punk-Impuls in Literatur zu
übersetzen. Das ging in Richtung Elendsromantik, eine gewisse selbstgefällige
Stilisierung des eigenen (männlichen) Außenseitertums, zu wenig
Reflexion, in politischer wie in literarischer Hinsicht. Das im
Zusammenhang mit einem
grassierenden Sexismus war der Grund, uns 1997 mit einer umfassenden
theoretischen Analyse aus der Bewegung zu verabschieden.
GWR:
Was könnt Ihr zum Netzwerk "Fraktal" sagen?
Ralf: Die
Bildung eines spezifisch "libertären"
Netzwerkes von AutorInnen war uns nach der Erfahrung mit Social-Beat ein großes
Anliegen. Deswegen begründeten wir zusammen mit anderen Autoren "Fraktal -
Netzwerk libertärer AutorInnen". Mit dabei war Jens Petz Kastner, den ich
bei der Münster Social-Beat-Lesung kennengelernt hatte. Weitere Autoren waren
Jokkl (Osnabrück), Till (Kiel), Ralf Landmesser (Berlin), Raimund Samson
(Hamburg), Thorsten Hinz (Freiburg). Wir traten im Zusammenhang mit "Fraktal"
in etlichen Städten auf und hatten, wie wir meinten, durchaus Erfolg mit
unserer Verbindung von anarchistischer Politik und anarchistischer Literatur. Später
stießen der Liedermacher Baxi (Münster) und die Lyrikerin Mouna Rappold
(Bielefeld) hinzu. Mouna Rappold stieg bei "Blackbox" ein, veröffentlichte
dort den Gedichtband "Nie Geschriebenes" und wir haben dann zusammen
mit ihr einige prima "Blackbox"- und "Fraktal"-Lesungen
erlebt. In der GWR gab es damals allerdings gegensätzliche Reaktionen
auf ihren Band.
Michael: Fraktal
hielt an bis zum Jahr 2001.
Warum das Netzwerk nicht weiter bestand, könnte man begründen mit einem
Beschluss, uns als geschlossene Gruppe zu verstehen. Damit wurden Neuzugänge
erschwert und neue Ideen blieben aus. Einige interne Streitigkeiten taten ihr übriges.
Positiv war jedoch, dass wir in den Jahren bis 2001 eine rege und anregende
Diskussion hatten über die Frage, was eine "anarchistische Kunst"
denn sei. Wir haben uns da durchaus befruchtet. Unser regelmäßig erscheinender
Rundbrief war ein Ort für Austausch und das Vorstellen neuer
Texte. Und unsere gemeinsamen Lesungen haben wohl jeden von uns
- durch die verschiedenen
Vortragsarten der anderen - angeregt.
Ralf: Die
Frage, was eine anarchistische Kunst und insbesondere eine
anarchistische Poetry denn sei, hat Michael und mich
immer wieder beschäftigt. Wir waren immer der Meinung, dass es eine spezifisch
anarchistische Kunst und Literatur gab und gibt. Nachdem Fraktal 'einschlief'
gab es zu dem Thema auf Mallorca einen Workshop der anarchosyndikalistischen
Freien ArbeiterInnen Union (FAU), an dem wir teilnahmen. Hier fanden sich
FAU-Aktive zusammen, um Perspektiven einer gemeinsamen Richtung auszuarbeiten.
Wir arbeiteten hart am Thema, aber hier waren die Meinungen sehr gegensätzlich.
Der Versuch eines gemeinsamen Manifestes scheiterte.
GWR:
Tatsächlich sind "anarchistische"
Dichterkollektive hierzulande eine Seltenheit. Was bedeutet für euch "Anarcho-Poetry"?
Michael: Es
gibt da drei wesentliche Momente.
Erstens das der Kollektivität: anarchistische Literatur ist kein individuelles
Schreibtischkonstrukt, sondern Resultat von Auseinandersetzung und Diskussion,
also einer kollektiven Praxis. Insofern ist die Auflösung von Fraktal besonders
schmerzlich. Das zweite Moment ist das der "Operativität", d.h.
anarchistische Literatur ist unmittelbar auf eine politische Szene bezogen,
greift Themen und Diskussionen auf, verarbeitet sie in literarischer Form und trägt
sie wieder in die Szene zurück. Damit verbunden ist auch das dritte Moment, das
inhaltliche. Anarchistische Literatur gründet sich auf die politische
Philosophie des Anarchismus, d.h. auf die Ablehnung jeglicher Herrschaft eines
Individuums oder einer Gruppe über andere, um das als kleinsten gemeinsamen
Nenner zu formulieren. Das geht dann in die Werke ein. Das in manchen Künstlerkreisen
beliebte Kokettieren mit dem "Anarchismus", worunter dann kaum mehr
verstanden wird als eine Oppositionshaltung gegenüber einzelnen (künstlerischen
oder sozialen) Regeln oder Normen, ist uns zu wenig. Auffassungen, wie sie z.B.
auch Erich Mühsam vertreten hat, dass der Künstler "an sich" ein
Anarchist sei, öffnet der Beliebigkeit Tür und Tor.
Ralf:
Eine anarchistische "Poetry"
hebt Trennungen zwischen Kunst und "Politik" auf, die ja im Bürgerlichen
zwei getrennte Bereiche bilden, um die Politik von Leidenschaften fernzuhalten.
Neben dem Grundsatz, dass eine anarchistische Kunst antirassistisch,
antinationalistisch und nichtsexistisch ist, könnte sie direkt ein Loblied auf
die Anarchie bringen, oder sie könnte eine kritische Beschreibung
der Prozesse des Alltags beinhalten.Ich
meine eine dekonstruktive Bestandsaufnahme des Lebens im
Kapitalismus, die sich gegen ihn selbst richtet. Solche Beschreibungen
finden
bei mir unmittelbar vor dem Hintergrund einer anarchistischen
Gesellschaftskritik statt und beschäftigen sich mit den sozialen Folgen von
Herrschaftssystematiken. Meistens schreibe ich Stadtpoetry, also Gedichte über
das urbane Leben. Hier interessieren mich die "tieferliegenden"
Strukturen des kapitalistischen Alltags. Ich versuche, der Verinnerlichung
kapitalistischer Ideale nachzugehen und beschreibe Hektik, Ziel- und
Zweckfixierung, fehlende Solidarität und Konkurrenzkampf, Konsumzwänge, das
berechnete Leben. Das sind alles Mechanismen unserer Gesellschaft, die der ökonomischen
Verwertbarkeit dienen. Ich sehe "Anarcho-Poetry" als
ein Mittel, solche gesellschaftlichen Vorgaben auf der Ebene
des Sprachspiels anzugreifen.
Michael:
In unserem gemeinsamen Gedichtband "Die
Wirklichkeit zerreißen wie einen mißlungenen Schnappschuß"
(Edition AV, 2000) gibt es ein Vorwort, das das Thema einer "libertären
Literatur" weiter ausführt. Oder in meinem Aufsatz "Kritik der
Trennungen" im Band "Gewaltfreier Anarchismus" des
Verlags Graswurzelrevolution (1999).
GWR: Was war euer bisher letztes gemeinsames Projekt?
Ralf: Im
Jahr 2002 und 2003 waren wir in
diversen Städten unterwegs mit einem Vortragsprojekt. Das hieß "Libertäre
Entscheidungstheorie trifft libertäre Poesie". Dabei ging es darum, den
Gegensatz zwischen libertären und hierarchischen Entscheidungsprozessen
herauszustellen. Wir haben zwei ganz verschiedene Herangehensweisen verbunden. Nämlich
eine politiktheoretische und eine poetische. Michael las
seinen poetischen Text "Entscheiden und Tun" und ich stellte das anarchistische
Konsensprinzip vor, wie ich es im Buch "Anarchismus und Konsens" dargelegt
habe.
GWR:
Was bedeutet Anarchie für Euch?
Michael:
Um gleich bei der Literatur zu
bleiben: "Ich will nicht herrschen, aber auch beherrscht nicht
werden", wie John Henry Mackay in einem seiner bekanntesten Gedichte gesagt
hat, oder: "Für mich ist das Glück, keine Befehle zu erteilen und keine
zu bekommen", so der Dadaist Francis Picabia. Zwei Literaten, die in ihren
künstlerischen Auffassungen nichts miteinander zu tun hatten, sich aber in
diesem Ausgangspunkt berühren.
Ralf:
Anarchie ist eine nichtstaatliche und dezentralistische
Gesellschaftsorganisation, die auf Herrschaftslosigkeit
gründet.
Dabei ist Anarchie die wohl schwierigste Art und Weise, Entscheidungen herbeizuführen.Und
zwar deshalb, weil hier Betroffene nicht übergangen
werden können, wie dies in einer herrschaftsbestimmten Politik heute üblich
ist. Anarchie ist die "echte" Form von Basis-
bzw. Direktdemokratie, alles andere ist Mumpitz.
GWR:
Ralf, Deine Doktorarbeit über "Anarchismus
und Konsens" erschien vor zwei Jahren im Verlag Edition AV. Der Begriff
"Konsens" wird von den Herrschenden verdreht. Stichwort:
"Atomkonsens" (vgl. GWR 293). Wie sehen anarchistische Konsenskonzepte
aus? Wie können wir uns den "Konsens"-Begriff
wieder aneignen?
Ralf: Um
es kurz zu machen: Beim
anarchistischen Konsensprinzip können von Entscheidungen 'negativ' Betroffene (NachteilsempfängerInnen)
nicht übergangen werden und haben ein Vetorecht. Das meint also nicht primär
eine hintergründige Übereinstimmung in weltanschaulichen Fragen
("Meinungskonsens") und schon gar nicht einen "Konsens"
unter Herrschenden. Daher brauchen wir den Konsensbegriff auch gar nicht von den
Herrschenden "zurückerobern", denn es ist ein ganz anderer Inhalt
damit verbunden. Die Herrschenden verstehen unter "Konsens" weder eine
gleichberechtigte Einbeziehung von Betroffenen noch ein Vetorecht dieser
Menschen. Das lässt sich am Beispiel der Lagerung von Atommüll zeigen, denn
schon die am Ort Betroffenen werden bei solchen Vorgängen schlicht übergangen.
Ein "Konsens" unter Herrschenden ist also gar kein
"anarchistischer Konsens" und die Kritik von Bernd Sahler in der GWR
Nr. 293 zum Thema "Atomkonsens" ist völlig berechtigt.
GWR:
Michael, Du arbeitest auch als Übersetzer. Was
waren Deine letzten Übersetzungen?
Michael:
Zum einen ein Gedichtband des französischen
Surrealisten Benjamin Péret, "Von
diesem Brot esse ich nicht", der
die uralte Tradition des Schmähgedichtes wiederbelebt hat, zum anderen
Alexander Berkmans Tagebuch aus der Russischen Revolution, "Der
bolschewistische Mythos", eine auf der unmittelbaren Beobachtung des
"revolutionären" Alltags in der Sowjetunion beruhende Abrechnung mit
dem bolschewistischen Herrschaftssystem. Generell betrachte ich das Übersetzen
als wichtigen Teil meiner Tätigkeit, es schärft das sprachliche Bewusstsein
und außerdem gibt es einfach viel zu übersetzen. Die wichtigsten und
interessantesten Beiträge zur anarchistischen Theorie sind überwiegend
nicht in deutscher Sprache verfasst und besonders fremdsprachenversiert
ist die
anarchistische Szene hierzulande wahrlich nicht.
GWR:
Was plant Ihr und was wünscht Ihr euch für
die
Zukunft?
Ralf:
Als Autorenprojekt "Blackbox"
wünschen wir uns noch viele Anarcho-Poetry-Lesungen, als "Edition
Blackbox" haben wir uns gerade einen Wunsch erfüllt. Wir wollten einen
neuen Gedichtband herausbringen und er ist soeben erschienen.
"Zweistromland" von Ibrahim Kaya und Gerald Fiebig. Als Anarchisten wünschen
wir uns das Anwachsen einer libertären Öffentlichkeit, die nicht nur die
klassische Herrschaftssystematik, sondern auch Machttendenzen in der
Zivilgesellschaft im Blick hat. Libertär-feministische Kritik hat hierzu Beiträge
geleistet und so sollte es weitergehen.
GWR: Herzlichen Dank.
Interview: Bernd Drücke, November 2004, veröffentlicht in der graswurzelrevolution - Dezember 2004
Anarchie braucht keine Hosenträger
"Anarchie ist Bewegung freies Spiel der Gedanken Revolte der Poesie gegen das lineare Denken Zuversicht die hinter den Ohren flutscht oder eine Seifenkiste in der die Sprache die Hügel der Kriegsgräber hinabfährt Anarchie spuckt auf das Heldentum freiwilliger Selbstunterwerfung unter die Herrschaft und auf die Prophezeiungen der Politik Sie speit auf den Nationalgedanken in dessen Namen der innere Soldat ins äußere Regiment umschlägt Nein Anarchie stößt die Palette um auf der sich Nationalfarben in Gesinnungen verwandeln Anarchie küßt sich frei..." (aus "Anarchie braucht keine Hosenträger", Ralf Burnicki, in: Die Wirklichkeit zerreißen....)
Schnee von Gestern
"Weder
Befehlen noch Gehorchen
Weder Opfer noch Henker
Weder Gott noch Herr
Sondern
Der Mensch der vor der Sonne steht" (aus "Schnee
von Gestern", Michael Halfbrodt, in:
Die Wirklichkeit zerreißen....)
Frühling
Es sollte anders werden. Der Frühling, Hausbesetzer alten Schlages, war in den Norden eingestiegen, riß ihm alle Fenster auf und hätte noch fast die Zukunft instandbesetzt, wären da nicht einige Nächte aufmarschiert mit ihrem tiefsten Blaulicht und Schlagstöcken aus Wind und hätten sämtliche Ansichten geräumt. Doch der Frühling kam wieder mit seinen sonnigsten Kumpels und Kumpaninnen, den prächtigsten Mittagen, ellenlange Bekannte, die beinah von früh bis spät reichten..." (aus "Frühling", Ralf Burnicki, in: Die Wirklichkeit zerreißen....)
Nieder
NIEDER steht an einer Hauswand. Nicht Nieder mit dem Sonnenuntergang den Zahnärzten den Zähnen sondern schlicht NIEDER denn es geht darum das Wirkliche zu zerreißen wie einen mißlungenen Schnappschuß...""NIEDER steht an einer Hauswand. Die Buchstaben vermehren sich durch Zellteilung und wickeln Kirchen Kasernen und andere Kommandozentralen in ihre Spinnennetze auf daß nichts bleibt von ihnen als Zigarettenasche die ein glückseliger Sturm verweht". (aus dem Poem "Nieder", Michael Halfbrodt, in: Die Wirklichkeit zerreißen....)